'Die Wunde, die Gott schlug, ist tief ...'

  Kärntner Tageszeitung,
  18. August 2009, Seite 48-49


  Der Kinoleinwandgeher
KTZ, 18. 08. 2009, Seite 48-49
Die Wunde, die Gott schlug, ist tief ...

Mit dem Film "Der Kinoleinwandgeher" über die Bilderwelten Josef Winklers schuf Regisseur Michael Pfeifenberger ein verstörendes Opus.


VON BERTRAM KARL STEINER

KLAGENFURT. Dass der liebe Gott ein philanthropischer Patsch sei, den man mittels Panflöten zum Schunkeln mit den "Schwestern und Brüdern" veranlassen könnte, ist ein jugendbewegter Irrtum. Eine katholisch geprägte Seele hat es immer besser gewusst: "Es ist schrecklich, in die Hände des lebendigen Gottes zu fallen".

Aus dem Blut entsprossen
Wer ihm in die Hände fällt, dem schlägt er, man kann es auch "Gnade" nennen, tiefe, schwärende Wunden. Josef Winkler zum Beispiel windet sich seit seiner Kameringer Ministrantenzeit in Schmerzen, er rast, klagt an, betet per Obszönitäten und Blasphemien, reißt vernarbende Stellen wieder auf, flieht vorm Entsetzen aus Kamering nach Indien und nach Mexiko und auf die Gipfel der Weltliteratur; aber er kommt nicht los vom Imago jenes Gottes, der - liebender Vater (Er tritt dem Dichter noch in der archaischen Gestalt seines Kameringer Vaters in den Weg) - seinen eingeborenen Sohn als Opferlamm am Kreuz ausbluten lässt. Gibt es ein katholischeres Werk in der neueren Literatur, als Josef Winklers präzise Ekstasen? Vergessen wir nicht, dass das Christentum jene Religion ist, welche aus dem vergossenen Blut Jesu entsprossen ist.
Blut ist das Rauschmittel, mit welchem der Regisseur Michael Pfeifenberger in seinem - ja genialen - Streifen "Der Kinoleinwandgeher" die Bilderwelten Josef Winklers erfahrbar macht.

Kaleidoskop des Horrors
Blut geschlachteter Rinder und Hühner, Blut, das aus hyperrealistischen mexikanischen Kruzifixen und den Augen von Marienstatuen quillt, Menstruationsblut: ein Blutstrom verbindet die Episoden. Da die rustikale Grausamkeit auf dem Bauernhof, der traumatische Doppelselbstmord zweier Bauernbuben, dort das Knacken verbrennender Leichenschädel auf den Scheiterhaufen von Benares oder die schaurig heiteren Totentänze Mexikos, die ausgebluteten Körper in irgendeinem pathologischen Institut. Das alles in einem rasant wirbelnden Kaleidoskop des ja, schönen, wütend blasphemischen Horrors, dessen Ästhetik sehr wohl mit den großen Filmen Federico Fellinis in einem Atemzug genannt werden darf.

Familie im Auge des Zyklons
Einziger Ruhepunkt des Filmes, Auge des Zyklons, die mitwirkende - ja ihm heilige - Familie Winklers, Frau Christina, der Sohn Kasimir und das Töchterchen Siri. Außer Frage, dass mit "der Kinoleinwandgeher" ein Streifen von Weltrang gelungen ist. Der Dichter selbst ergriff bei der Premiere im Klagenfurter Burghof die Gelegenheit, Kärntens "Kulturpolitik" zu geißeln. Ovationen.